Marcialonga 2.0

am 01. February 2016

Stefan Eich

Endlich war es wieder soweit, dass ich einem Wettkampf entgegenfiebern durfte.
Wie schon im letzten Jahr, stand auch die 43. Ausgabe des Marcialonga auf meinem Programm.
Freue mich sehr darauf, Euch über dieses Erlebnis zu berichten.
ALLERDINGS!!! Die folgenden Zeilen werden zwar Einblick meines Rennverlaufes darlegen, aber auch Beschreiben, was ich für Gedanken vor, während und nach diesen 70 Km von Moena nach Cavalese hatte, sowie zu welchen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen ich dadurch gekommen bin. Untertitel dieses Berichtes könnte durchaus „MARCIALONGA 2.0 – Sterben und Wiederauferstehung eines Langläufers“ heißen. 😉
Über die Sieger, einzelner Teilnehmer, den Zeiten, die gute Organisation und anderen Hintergründen des Rennens werden wir bestens von Mario und seinem xc-ski.de-Team informiert. Das ist immer sehr aktuell, punktgenau und informativ. Da könnte ich ja auch nur positives berichten und abschreiben, was geschehen ist.
Nein, heute möchte ich so bisschen einen seelischen Striptease vor Euch vollziehen. Mal schauen, ob mir dies gelingt??
Aber am besten fange ich mal gaaaanz von vorne an.
Seit meiner Hochzeit mit Heidi am 14.10.2015 besteht mein Lebensmittelpunkt jetzt in Günzburg, nahe der Grenze Baden-Württembergs. Berge oder Loipen gibt es hier nicht. Dafür ist diese Gegend aber bestens mit Radwegen ausgestattet, die mir schöne Rollerstrecken bieten. Also kurz gesagt, mein Training auf das Rennen in Italien bestand aus Rollern und meinem Ercolina.
Wir waren zwar vor kurzem in Oberhof, Heidi hat eine Langlaufstunde mit einem Langlauflehrer von Sport-Luck gemacht und ich nutzte diese Zeit um ein bisschen die Gegend mit den Brettern zu erkundigen und habe die Skihalle genutzt, um den neuen Fischer Twin Skin zu testen, habe aber meine Langlaufskier ansonsten nur betrachten und zärtlich streicheln dürfen.
Rechtzeitig im Sommer letzten Jahres buchten wir im Internet eine schöne Unterkunft.
Es war ein reizvolles Hotel in Welschnofen, nur ca. 28 Km von Cavalese entfernt, bzw. bis nach Moena nur geringfügig weniger.
Auf der Übersichtskarte der Buchung habe ich allerdings nicht beachtet, dass wir, wenn es nach Moena sollte, über den Karrerpass mussten, und wenn es nach Cavalese ging, über den Lavazepass.
Die Fahrten dauerten länger als geplant, und hätten wir Schnee gehabt, wäre es wohl auch noch abenteuerlich geworden, da die Schneeketten daheim im warmen lagen.
Angereist sind wir am Freitag. Haben dann nachmittags gleich die Startnummer geholt und sind über die Sportmesse gegangen, ohne etwas zu kaufen.
Am Samstag haben wir genauestens geschaut, wie, wo und wann ein Shuttle-Bus zum Start geht und sind dann, nachdem mein Onkel auch in Kaltenbrunn angekommen war und wir uns in Moena am Startgelände getroffen haben, zum Kaffeetrinken gegangen. Peter und auch ich haben die Loipe und die Skier NICHT getestet. Meine Nowax-Ski hatte ich mit rotem Gleitwax präpariert und Peter seine ebenso. Nur das er kein Steigwax benutzte.
APROPO LOIPE!!! Trotz der Höhenlage war außer auf den Berggipfeln kein Schnee zu sehen. Kein Schnee? Doch!! Eine dünne, ca. 70 Km lange, 2 Meter breite und 30 cm hohe Schneespur zog sich durch eine Gegend in Südtirol.
Und am Startgelände in Moena gab es einen Schneeberg, auf dem unaufhörlich ein Bagger Schnee in unzählige LKW´s geladen hatte. Den ganzen Freitag und Samstag waren viele noch damit beschäftigt, dass uns eine akzeptable Loipe präsentiert wurde!!
Danke und Respekt an alle Helfer und Organisatoren!!!

Sonntag, 31.01.2016
Der Shuttlebus, den ich nehmen wollte, war für 7:20 Uhr in Vigo di Fassa am Hotel Carpe Diem vorgesehen. Wir frühstückten um kurz vor sechs und meine Frau brachte mich dann zum Bus. Wir waren schon ca. 30 Minuten früher da, und weit und breit war kein anderer Langläufer zu sehen.
Um kurz vor sieben kam dann ein Bus und setzte rückwärts in ein Nebenhotel. Beschriftet war da gar nichts, aber eine große Anzahl Langläufer begannen ihre Sachen einzuladen. Da habe ich doch mal mitgemacht, bin eingestiegen, habe mich hingesetzt und habe alles beobachtet. So langsam füllte sich der Bus. Alle trugen eine rote Mütze, rote Anzüge und sprachen norwegisch. Ich saß ganz ruhig da, zog meine blaue Craft-Mütze mit der Schwedenflagge schnell vom Kopf, schloss meine Augen und markierte den Schlafenden. Innerlich hoffte ich, dass diese Reisegruppe nicht die gesamten Plätze des Busses benötigen, war dann aber erleichtert, als ich irgendwie verstand, dass wohl alle da sind und die Fahrt beginnen konnte. Und es waren leere Plätze vorhanden. Einen Platz habe ich also niemanden weggenommen. Das Glück blieb mir weiterhin positiv zugewandt, weil auch nicht durchgezählt wurde. Hätte sicher mitgezählt und irgendwie eine ähnliche Zahl ungefähr ganz schnell in norwegisch gehustet, aber meine roten Ohren, die danach wohl aus lauter Scham geglüht hätten, blieben mir erspart. In Moena stieg ich mit den anderen aus, wartete, bis der Busfahrer das Equipment verteilt hatte, nahm meine Ski samt Stöcke und ging Richtung Start.
Der Start vom Marcialonga ist schon irgendwie besonders. Besonders seltsam!!
Die Damenelite startete 10 Minuten vor allen anderen um 7:50 Uhr. Um 8 Uhr, also kurz nachdem auch die 3 Hubschrauber über uns kreisten, gab es den Startschuss für die Nummer 1 – 400.
Dann wurde alle 5 Minuten eine Startbox mit ca. 600 Läuferinnen/Läufer geöffnet, die zum Startfeld liefen, die Ski anschnallten und dann ins Renngeschehen einstiegen. Meine Box, Nr. 8, wäre um 8:30 dran gewesen. Um 8:15 brachte ich noch meinen Kleidersack zum Transport-LKW und wartete auf meinen Start. Wir sind aber erst kurz vor dreiviertel neun auf die Loipe gekommen.
Und nun ging los!!
Es ist eine eisige, aber für meine Skin nicht sehr schnelle Loipe.
Das Profil der 70 km zeigt, dass es die ersten 18,3 km bis nach Canazei leicht bergan geht, dann bis km 67,5 leicht bergab, mit paar einzelnen größeren und kleineren Anstiegen bzw. Abfahrten und die letzten 2,5 km der berühmte steile Anstieg zum Ziel.
Jedenfalls waren die ersten 6 km für mich enorm anstrengend und Kräfte zerrend. Danach ging es bisschen besser und ab km 10 hatte ich so meinen Rhythmus gefunden und es lief. Dachte ich jedenfalls gefühlsmäßig. Die Zeit sprach was anderes. Es lief gut, aber ich war langsam. Hatte mir als Ziel eigentlich eine Zeit um die 4,5 Stunden gesetzt, merkte aber schnell, dass ich dafür ziemlich starken und viel Rückenwind, eine freie, eisig glatte und gerade Loipe benötigen würde. Und eine durchsichtige Seilwinde, die mich den letzten Anstieg hoch zieht. Aber nichts davon trat ein.
Kurz bevor meine Garmin ausfiel (das Akku war nicht ganz aufgeladen), sah ich, das ich die Hälfte, also 35 km in genau 3 Stunden gemeistert hatte!! Ok, gemeistert ist übertrieben, eher gelehrlingt. Und die waren jetzt nicht einfach so locker dahergelaufen, sondern haben viel Kraft gekostet. Mehr Kraft und Luft als gedacht.
Die Temperatur wurde immer wärmer, ergo die Loipe immer sulziger, weicher, nasser und langsamer. An einigen Stellen stand das Wasser richtig in der Spur. Es wurde mit weniger Kraft auch noch anstrengender zu laufen. Aufgeben ist aber nicht! Auch mit einer schlechten Zeit ins Ziel zu kommen ist weitaus besser als grundlos aufzugeben. Aber eigentlich dachte ich keinen Moment daran, nicht ins Ziel zu laufen.
In Predazzo, bei km 45, trennten sich dann die Teilnehmer des Marcialonga Light vom Rest und ich zählte und freute mich über jeden gelaufenen Kilometer. An den Anstiegen, an denen sich immer Schlangen bildeten, war ich froh, dass ich gemächlich meinem Vordermann, oder meiner Vorderfrau, langsam hinterher schleichen konnte und nicht, wie es wohl bei freier Fläche gewesen wäre (wenn die Kraft es erlaubt hätte) in zügigen kleinen Grätschschritten hoch haben spurten müssen. Leider musste ich dann aber auch die Abfahrten mit weitem Schneepflug hinter den Bremsern runterrutschen.
An jeder Verpflegungsstation nahm ich Getränke zu mir und hoffte immer, dass irgendjemand mir da mal eine Cola reichen würde. Mich hat es so nach einer kalten Cola gesehnsüchtelt. Aber nix war!!
So spulte ich, ohne große Highlights oder Tiefpunkte, Kilometer um Kilometer ab und freute mich irgendwie schon auf den „Berg“, da ich diesen im letzten Jahr gut gemeistert hatte. Aber auch das kam anders als gedacht. Fast kraftlos quälte ich mich diese letzten 2,5 km in über 26 Minuten nach oben. Wurde überholt und überholt und konnte selbst nicht auch nur einen Platz gut machen.
Die letzten knapp 100 Meter über die Ziellinie ging es dann doch noch per Doppelstock und die Uhr über der Ziellinie trieb mir fast die Tränen in die Augen. Ich war fix und fertig, ließ mir den Zeitnahmechip abnehmen, nahm die Medaille und suchte meinen Kleidersack.
Es ist ein langer Weg um den Zielbereich verlassen zu können und ich ging langsam Richtung Zuschauer, als ich auch schon meine Frau entdeckte. Ihrem leicht erschrockenem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass ich wohl ziemlich fertig und erschöpft aussehen musste, bekam aber trotzdem ein liebes zärtliches Küsschen und den Satz …..stolz auf Dich……. zur Begrüßung!!
Erfuhr dann noch, dass Peter schon lange im Ziel sei, freute mich für ihn und wollte so schnell wie möglich zum Auto um mich bisschen ausruhen zu dürfen.
Heidi hat bisschen außerhalb einen Parkplatz gefunden und wir mussten ca. 15 Minuten gehen. Aber wer 6 Stunden Langlaufen kann, kann auch einen Bruchteil davon auf der Straße laufen.
Wir fuhren ins Hotel und ich genoss die heiße Dusche, merkte meine Schulter und meine Arme und wusste, dass ich einiges geleistet habe. Bin aber irgendwie nicht zufrieden mit dieser Leistung! Und denke viel nach.
Der Euphorie vor dem Rennen ist der nüchternen Wahrheit während das Wettkampfes gewichen. Des öfteren habe ich mich gefragt, warum ich das überhaupt mache?? Muss ich in 5 Wochen wirklich auch den Wasalauf laufen?? Wird das dann noch qualvoller, da mein Ziel eine gute 7-Stunden-Zeit ist? Das ich es schaffe, weiß ich, bloß wie?? Gut, schnell, gesund, lächelnd, glücklich, usw., oder wird es eine lange, langsame und quälende Odyssee nach Mora??
Fragen über Fragen, zweifeln und grübeln ist angesagt.
Den Montag lassen wir ganz ruhig angehen und unternehmen nicht viel. So richtig in freudiger entspannter Stimmung bin ich immer noch nicht, aber der Tag geht irgendwie vorüber.
Am Dienstag, meine Trizeps schmerzen fast nicht mehr, sage ich zu Heidi, dass ich bisschen langlaufen möchte, bzw. muss und ob sie mitkommen möchte. Sie verneinte und spürte wohl, dass ich diese Zeit alleine brauche.Wollte auf den Lavazepass. ( http://www.lavaze.com ).
Das ist ein ein Langlaufgebiet mit 16 verschiedenen Loipen, von leicht bis schwer, von denen nur 3, wegen Schneemangel, geöffnet waren. Die Tageskarte kostet 8,50 Euro. Die Loipen werden täglich mehrmals gespurt und es ist wunderbar dort. Mehr erzähle ich von diesem Gebiet jetzt mal nicht. Vielleicht wäre das mal was für Mario, darüber zu berichten!!?? Würde sicher einige Interessieren.
Jedenfalls, als ich so gelaufen bin, die erste der 4,5 Km-Runde mit überwiegendem Doppelstockschub und die 2. dann gemütlicher im Diagonalschritt, fiel mir auf, dass mein Ski, der Nowax Salomon Elite G2 Micro Grip, zwar einigermaßen Haftung hat, in den Abfahrten aber nur unbedeutend schneller ist als der Schuppenski eines gemütlichen Skiwanderers, der neben mir die Abfahrt fuhr.
Dann ratterte es in meinem Kopf.
Zuhause habe ich 2!!! Paar fast neue Fischer Carbonlite Wachsski, die sündhaft teuer waren und auch das notwendige Wachs dazu, und ich laufe 70 Km mit einem schweren Nowax-Ski, der bei diesen schlechten Bedingungen nicht wirklich eine gute Wahl gewesen ist. Ich hätte mir viel Kraft sparen können, wenn ich, wie früher auch, mal wieder normal die Ski gewachst hätte. Stationen zum Nachwachsen waren ja auf der Strecke überall vorhanden. Und ein Wachsski ist auf alle Fälle schneller beim „Schieben“ als ein Nowax.Ski.
Als ich darüber nachdachte, wusste ich schon, dass nicht nur das mangelnde Training Schuld daran war, so „versagt“ zu haben, sondern auch die falsche Materialwahl.
Ein kleines Lächeln ist mir dann beim Einladen der Skier (und wie schwer die dann plötzlich waren) aufs Gesicht gekommen, weil ich da beschloss, am 6. März in Schweden, mit einem Wachsski zu starten. Die ersten 2 km Anstieg wird das Wachs schon seinen Zweck erfüllen und mich nach oben bringen und den Rest schieb ich dann, so gut es geht! ;-))
Bin dann zum Hotel, habe geduscht und anschließend meiner Frau erzählt, was sich in meinem Kopf neuerdings alles abgespielt hat und was meine Pläne und Vorhaben sind.
Der Abend war dann entspannt und wir bereiteten uns auf die Heimreise am Mittwoch vor.
Schweden kann kommen, die Euphorie darauf ist schon wieder vorhanden ...
Bedanken möchte ich mich noch beim Marc Schauberger, Organisator und Veranstalter des König-Ludwig-Laufs in Oberammergau, der es Peter und mir ermöglicht hat, beim Marcialonga starten zu können und der uns auch für den Vasaloppet 2016 anmeldet.

Mal schauen, was es dann davon zu berichten gibt.

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